Tuesday, November 4, 2008

CD of the Day - "ReComposed by Carl Craig & Moritz von Oswald"

CD of the Day
"Recomposed by Carl Craig & Moritz von Oswald: Music by Maurice Ravel & Modest Mussorgsky" (Deutsche Grammophon) 2008


Released in Europe on October 10, 2008, scheduled for release in the USA on November 11, 2008, "ReComposed" is the result of a gradual process. The word "ReComposed" is used for the remix of classical works, according to a concept developed by Christian Kellersmann & Moritz von Oswald. In this particular case, the original recordings were cut in 1985-1987 by none less than Herbert von Karajan conducting the Berlin Philharmonic. The works? Ravel's "Bolero" & "Rapsodie Espagnole", plus Modest Mussorgsky's "Pictures at an Exhibition" in Ravel's orchestration.
The remix, sorry, the process of "ReComposing" happened in Detroit, Michigan, the centre of African American techno music for about 20 years. The unmixed multi-track tapes were found in Moritz's home town, Berlin, and he started to work on the pre-production, isolating certain sections of instruments, and mixing them anew. Then he took everything to Carl Craig in Detroit, where they sat down with old analog synths & drum machines, finding the appropriate bits and finally adding new instrumentation - piano, acoustic bass, percussion, creating new sounds and patterns.
According to Moritz, Ravel's famous "Bolero" is the very first classical work with a rhythmic loop upon which a melody is built. The whole "friendly takeover" of "Bolero" (particularly recognisable from the rhythmic patterns played on the snare drum) now posesses a certain swiftness and is high-pitched, which leads Moritz to conclude that the well-known recordings of Ravel's piece have always been performed more slowly than the composer originally intended: this music really should have 128 beats per minute!
Btw, the excellent Tomas Meinecke liner notes refer to the meetings between Ravel and jazz legend Bix Beiderbecke, quoting the beautiful book "Bix - Man and Legend", written by Richard M. Sudhalter (who recently passed away) and Philip R. Evans.
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Mit ReComposed by Carl Craig & Moritz von Oswald wird eine Idee fortgesetzt, die mit Bearbeitungen von klassischen Aufnahmen durch den Hamburger Produzenten Matthias Arfmann und dem finnischen Funk-Exzentriker Jimi Tenor ihren Anfang nahm.
Der Sound von Carl Craig und Moritz von Oswald gilt seit vielen Jahren als stilbildend und prägte ganze Genres der elektronischen Musik. Generationen von Produzenten und DJs zählen Craig und von Oswald zu ihren Einflüssen. ReComposed ist mithin eine einmalige Elefantenhochzeit. Ein Treffen von Clubkultur und klassischer Musik, das es in dieser Form noch nicht gegeben hat.

Die Originalaufnahmen von Bolero, Rapsodie espagnole (Maurice Ravel) und Bilder einer Ausstellung (Modest Mussorgsky) aus dem Jahr 1987 wurden den beiden Künstlern in Form von Mehrspur-Bändern zur Verfügung gestellt. Die Deutsche Grammophon veröffentlichte diese Aufnahmen der Berliner Philharmoniker in der Edition Karajan Gold. Die Wahl von Craig und von Oswald fiel also nicht zufällig auf diese drei Werke von Ravel und Mussorgsky. Hier bleibt zusammen, was bereits vorher als Einheit gedacht war.

Oberflächlich betrachtet haben Vorlage und Neubearbeitung nicht sehr viel miteinander gemein. Mit ruhiger Ernsthaftigkeit schält sich die markante Rhythmik des Bolero aus dem Intro der elektronischen Re-Komposition. Die nach ungefähr 15 Minuten einsetzende fiebrige Perkussion entwickelt einen unwiderstehlichen Sog. Weich pulsierend kommt zum ersten Mal eine Bassdrum hinzu. Das Stück mutiert zu einem hypnotischen Clubtrack, in dem die unnachahmlichen Handschriften von Craig und von Oswald organisch miteinander verschmelzen. Mit den Möglichkeiten, die eine Mehrspuraufnahme zur Neubearbeitung bietet, sind die beiden Künstler sparsam und zielorientiert umgegangen. Bei aller Unterschiedlichkeit im Klang ziehen sich mit viel Fingerspitzengefühl platzierte Bolero-Splitter durch die Bewegungen. Und schließlich stellen wir fest: Neubearbeitung und Vorlage verbindet vor allem ihr identisches Zeitgefühl und ihr kontrolliertes Feuer.
Hier wurde der Bolero-Gedanke der gedehnten Zeit und endlosen Steigerung weiter gedacht. Der Bolero-Entwurf wurde mit wenigen Strichen abstrahierend nachgezeichnet. Ravels Original und die Neukomposition von Craig und von Oswald lassen sich wie ungleiche Geschwister nebeneinander stellen. Hier die Vorlage, dort ihre Abstraktion. Mit dieser Bearbeitung haben die beiden Elektronikmusiker zwar keinen einfachen, aber einen absolut logischen Weg gewählt. Denn hier ist sie, die berühmteste repetitive Komposition in der abendländischen Klassik. Ein rhythmisches Loop, auf das in steter Steigerung Melodien aufgebaut werden, lässt zum ersten Mal im Abendlande das Gefühl der Endlosigkeit entstehen. Die Parallele zu zeitgenössischer Clubmusik liegt auf der Hand.

Movement 5 offenbart die Affinität der Künstler zu Filmmusik. Hier sind zum ersten Mal im Verlauf der bisher ca. 37 Minuten die Originalaufnahmen der Berliner Philharmoniker mit Ravels Rapsodie espagnole in aller Deutlichkeit zu hören. Dunkel und schwer arbeitet sich die Prélude à la nuit der Rapsodie vorwärts, von Craig und von Oswald mit Pausen und Hallschleifen effektvoll inszeniert. Unerwartet kommt gefilterte Perkussion hinzu und das Arrangement scheint sich ab hier zu verselbständigen. Spannung wird aufgebaut und - statt sie aufzulösen - immer weiter gehalten.

Im Verlauf des langen Bogens, den dieses Album spannt, offenbart die einfühlsame und genaue Produktion des Duos aus Berlin und Detroit immer wieder ihre offene Struktur. Beide Musiker haben während ihrer Zusammenarbeit über weite Strecken improvisiert, die Musik kommen lassen. Dabei ist ihr Umgang mit den klassischen Vorlagen immer vorsichtig und respektvoll. Denn Moritz von Oswald und Carl Craig verstehen ihre Bearbeitungen als Brücke zu den Originalwerken. Sie haben sich mit ReComposed nicht von Ravel, Mussorgsky und Karajan weg bewegt, sondern auf sie zu.

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